Hochzeitsbericht

Am 20. Januar 2003 haben wir in Ratingen vor dem Standesamt unsere Zelte aufgeschlagen, um uns zur Hochzeit anzumelden. Das scheint jetzt schon unendlich lange her zu sein, und andererseits war es doch erst gestern.

Die Vorbereitungen in den 6 Monaten vor der Hochzeit waren enorm, denn an 1000 Dinge muss man denken, wenn man eine schöne Hochzeit feiern will.

Zuerst mussten wir uns überlegen, wo wir uns trauen lassen wollen. Das Standesamt befindet sich im Rathaus, einem abgrundtief hässlichen Gebäude aus den 60er Jahren. Glücklicherweise besteht in Ratingen während der Sommermonate die Möglichkeit, jeweils einmal im Monat an einem Samstag im Gartensaal des Herrenhaus Cromford zu heiraten. Das Gebäude ist Teil der ältesten Baumwollspinnerei Europas, die heute ein Museum ist. Und ganz nebenbei sieht es auch hervorragend aus.

Nachdem wir uns durch Campieren um vier Uhr morgens vor dem Rathaus einen der heißbegehrten Termine gesichert hatten und die bürokratischen Notwendigkeiten bei der Anmeldung zur Hochzeit erledigt waren (Beantragen der Auszüge aus den Familienbüchern, Feststellen lassen der Ehefähigkeit, etc.), ging der Planungsmarathon auch schon los.

Besonders wichtig war es, das Restaurant frühzeitig zu buchen, wobei man damit rechnen muß, dass es am Wunschtermin schon belegt ist. Wir mussten genau deswegen unsere Hochzeit um einen Monat vorverlegen, was im Nachhinein eine gute Entscheidung war, obwohl wir schon Anfang Januar dort nachgefragt haben!

Abgesehen von den organisatorischen Dingen, ist so eine Hochzeit auch die ideale Gelegenheit, die eigenen Bastelfähigkeiten auszuloten, z.B. beim Entwerfen der Einladungskarten. Was muss alles rein? Wie soll sie aussehen? Wie bekommt man sie so hin, dass sie nicht spießig wirken? Das scheint uns aber ganz gut gelungen zu sein:


Das Deckblatt besteht aus 120er Tonkarton in Aprikot, die Rückseite ebenfalls, die mit der Wegbeschreibung zum Restaurant inkl. Anfahrtskizze bedruckt wurde. Dazwischen eine Lage aus 90er Architektenpapier, auf dem der eigentliche Einladungstest stand, inkl. handgeschriebener Anrede. Die Einladung ist im Format DIN A 6 und die einzelnen Blätter sind mit einem kleinen Schleifchen zusammengebunden.

Die ersten Schleifchen wurden noch mit Begeisterung gebunden, aber nachdem ein Tippfehler erst kurz vor dem Eintüten der Einladungen aufgefallen war und ein Großteil der bereits fertigen Einladungen neu gemacht werden mußten, bekam unser Elan allerdings den ersten Dämpfer. Die bereits gemachten Schleifen wieder aufzumachen, das neu ausgedruckte Blatt zu lochen und mit dem Schleifenbinden wieder neu zu beginnen hat nicht besonders viel Spaß gemacht. Aber wie sagt der Rheinländer so schön: "Watt mutt, datt mutt!"

Um das Design der Einladungen auch auf der Feier wieder aufzugreifen, war es unumgänglich, weitere Schleifen zu binden. Zum einen für die "Tischkarten" - Säckchen aus Chiffon, die jeweils mit fünf selbstgebrannten Mandeln gefüllt wurden und an deren Schleife ein Namensschild mitfolgendem Spruch auf der Rückseite festgebunden wurde:

"Fünf Mandeln für unsere lieben Gäste -
ein Geschenk mit Tradition zu solch einem Feste.
Sie sind bitter und süß wie das Leben,
stehen für Glück, Liebe, Gesundheit, Erfolg und Segen.
Diese Wünsche bekamen wir heute von Euch für unser Wohl
als Dankeschön geben wir Euch diese Mandeln als Symbol."

Zum anderen haben wir für jeden Gast eine Menuekarte gebastelt: DIN A 5 gefaltet, auf Architektenpapier die Menuefolge geschrieben und beides mit einem Schleifchen verbunden.

Parallel zu diesen Arbeiten musste der Blumenschmuck ausgesucht werden - Ton in Ton mit der restlichen Tischdeko - natürlich bei unserem Stammfloristenteam, die uns für die vier Hochzeiten im letzten Jahr immer wieder gut ausgerüstet hatten.


Ganz nebenbei stand die Suche nach einem Brautkleid und dem Anzug für den Bräutigam auf dem Programm. Brautschuhe mussten gekauft werden, das Kleid geändert, kurz vorher noch Schuhe für den Bräutigam gekauft werden.

Wir hatten uns auch dafür entschieden, einen professionellen Fotografen zu engagieren. Im Nachhinein betrachtet, war dies eine wirklich gute Idee, denn die Bilder von der Hochzeit sind wirklich extrem gut geworden und ihr Geld wert.

Eine Woche vor der Hochzeit hatten wir auch noch einen Polterabend zu organisieren, der zusätzlich noch einmal einen Haufen Arbeit erforderte (Zelt aufbauen, Essen, Getränke und Tische bestellen, Einladungen für Nachbarn und Bekannte entwerfen und verteilen, etc.)

Ich ärgere mich im Moment schon ein wenig, dass ich nicht ein Hochzeitsblog gemacht habe, so wie Ute, denn jetzt muss ich sämtliche Links zur Hochzeit wieder raussuchen. Ich packe jetzt hier einfach mal die Einträge chronologisch untereinander, wer will kann unter den Stichwörtern nachschauen:

Jetzt aber endlich zur heißen Phase und zur Hochzeit:

10. Juli - 17. Juli 2003

Das Hemdendrama: am Donnerstag vor dem Polterabend war Anzug abholen angesagt, der passte perfekt, doch die Hemden waren in der falschen Größe da. Das Team von "Bräutigam-Moden" in Willich bestellte die Hemden bei Eterna nach und sorgte dafür, dass sie direkt an uns geschickt werden sollten. Am Dienstag, den 15. Juli konnte ich mein Kleid abholen, geändert und passend, doch von Holgers Hemden weit und breit keine Spur. Am Mittwoch vor der Hochzeit habe ich nochmal bei "Der Bräutigam" angerufen, die Hemden müssten heute oder spätestens morgen hier ankommen ist die Antwort. Am nächsten Tag ein Anruf auf dem AB, die Hemden sind von DHL nicht ausgeliefert worden, weil es unsere Adresse angeblich nicht gibt, wir können uns die Hemden am nächsten Tag in Willich abholen, sie werden per UPS Express verschickt.

18. Juli 2003

Wir haben beide frei! Wunderbar, noch einmal ausschlafen, bevor der schönste und stressigste Tag im Leben bevorsteht. Noch vor dem Frühstück habe ich bei meiner Bank, bei sämtlichen Versicherungen und beim LBV angerufen, meinen neuen Nachnamen mitgeteilt und neue Dokumente beantragt. Da das aber ohne Heiratsurkunde ohnehin nicht geht, konnte ich mir mit diesen Telefonaten bis kurz vor der Hochzeit Zeit lassen.

Anschließend geht es in die Stadt, meinen Verlobungsring noch einmal mattieren, eine Hochzeitsanzeige bei der örtlichen Zeitung aufgeben, das Hochzeitsauto waschen lassen und meine Blumen fürs Haar abholen. Danach noch schnell einen Abstecher zum Bäcker und in den Supermarkt, wo um kurz vor 12 Uhr auch der erlösende Anruf aus Willich kommt: "Die Hemden sind da!"

Der Einkauf wird im heimischen Kühlschrank verstaut und los geht es, die langersehnten Hemden abzuholen. Nachdem das ohne Probleme erledigt ist, wollen wir uns eigentlich noch einmal kurz hinlegen, aber Holger ruft unerwartet, aber umso dringender die Arbeit und er muss noch einmal an den Rechner.

Pünktlich zum Kaffeetrinken kommen die ersten Gäste von weither angereist. Das nächste Paar kommt zwei Stunden später und gemeinsam begleiteten wir unsere Gäste zum Hotel. Luftlinie gerade einmal 500 m von unserem Haus entfernt, hatten wir eine preiswerte und gutbürgerliche Unterkunft gefunden, die wir auch schon Monate im Voraus reserviert haben. Der Wirt gibt uns wegen des Ruhetags am Samstag (wer macht eigentlich sonst noch den Samstag zum Ruhetag?) alle Schlüssel für die weiteren Gäste mit und zeigt uns die Zimmer. Da wir nicht damit gerechnet hatten, dass wir alle Schlüssel entgegen nehmen mussten, steht der Abend ganz im Zeichen der Rumtelefoniererei um alle auswärtigen Gäste davon zu informieren, dass sie nicht direkt in ihr Hotelzimmer können, sondern erst ihren Schlüssel bei uns privat abholen müssen. Gott sei Dank sind alle Beteiligten sehr flexibel und da das Hotel so nah an unserem Zuhause liegt, müssen wir keine hochkomplizierten Wegbeschreibungen vom Heimatort - zu uns - zum Hotel am Telefon ohne Ortskenntnis der Gäste geben, sondern können die Wegbeschreibung zum Hotel, die den Gästen vorlag kurz um ein "nicht beim Bäcker links, sondern die nächste Strasse rechts rein" erweitern.

Nachdem das relativ schnell geklärt werden kann und ich einem Paar, das ich nicht erreicht habe, den Anrufbeantworter hoffnungslos vollgequatscht habe, haben wir mit unseren bereits anwesenden Gästen einen ruhigen Abend auf der Terrasse verbracht und gehen früh ins Bett. Zum letzten Mal als Junggesellen. Auf den obligatorischen Abschied vom Junggesellenleben haben wir verzichtet, schließlich wurde gepoltert und man kann nun mal nicht alles haben.

19. Juli 2003

6:45 Uhr bis 9:30 Uhr

In der Nacht sind wir beide mehrmals wach, die Temperaturen sind tagsüber locker in den Dreißigern, nachts kühlt es sich nur unwesentlich ab. Der Wecker rappelt um 6:45 Uhr, noch ein Viertelstündchen wird sich ins Bett gekuschelt. Während ich unter der Dusche stehe bereitet Holger ein leckeres Brötchenfrühstück vor, doch vor lauter Aufregung bekomme ich nur ein halbes Brötchen runter. Um Punkt 7:45 Uhr stehe ich mit nassen Haaren, den Rosen für die Hochsteckfrisur und meinem Schleier vor der Tür des Friseursalons. Eine halbe Stunde später habe ich etwa 30-40 Lockenwickler und eine Flasche Schaumfestiger im Haar und sitze fingernägellackierend unter der Trockenhaube. Meine liebe Friseurin hilft mir, Nagellackreste zu entfernen und beginnt danach, Locke für Locke zu toupieren. Ich erkenne mich nicht mehr wieder und frage mich, wie sie daraus eine schöne Frisur zaubern will. Mit 3 Dutzend Haarnadeln gelingt es ihr ausgesprochen gut und ich habe an keiner Stelle das Gefühl, dass sich eine Haarnadel in meine Kopfhaut bohrt und für stechenden Kopfschmerz sorgen wird.

9:30 Uhr bis 10:55 Uhr

Um 9:30 Uhr gehe ich mit wehendem Schleier in das Nachbarhaus, wo meine Kosmetikerin Katja schon auf mich wartet. Nach einer Grundreinigung der Haut werde ich mit reichlich Camouflage erst einmal "tot" geschminkt. Mein Gesicht hat keinen einzigen menschlichen Zug mehr und ich sehe aus wie eine Leiche aus dem Tatort. Während des Abpuderns schlafe ich fast ein, denn mit geschlossenen Augen in einer nach Aprikosen riechenden Puderwolke zu sitzen ist sehr entspannend. Für die Dauer des Augenmakeups darf ich auch noch dösend auf dem bequemen Stuhl sitzen bleiben und erst beim Auftragen des kühlenden Glitzergels am Wimpernkranz werde ich wieder wach. Die Wimpernzangen- und Tuschaktion lasse ich auch brav über mich ergehen und Katja ist schon fast fertig mit den Lippen als mein Handy bimmelt. "Wo bleibst Du? Es ist schon 10:45 Uhr! In einer halben Stunde wollen wir los!" Noch etwas benommen von meiner Makeup-Döserei murmel ich etwas davon, dass ich in spätestens 10 Minuten losfahre und auf jeden Fall pünktlich sein werde. Katja schminckt mich vollkommen ruhig fertig und ich werde langsam wieder wach, gucke auf die Uhr und realisiere jetzt erst, dass ich in 20 Minuten fertig angezogen in Holgers Wagen steigen soll.

10:55 Uhr bis 11:15 Uhr

Wie der Blitz sause ich zu meinem Corsa, sause ohne Gurt (ich hätte mich sonst gar nicht bewegen können mit dem Schleier) den kurzen Weg nach Hause, vorbei an staunenden Menschen in fremden Autos und den ersten Gästen vor unserer Einfahrt, die mich leicht irritiert angucken, schließlich haben sie auch noch keine Braut in Jeans gesehen. Meinen schicken Fastehemann lasse ich ebenso irritiert wie meine Eltern und alle anderen auf der Terrasse sitzen, als ich immer noch mit wehendem Schleier in unsere Wohnung hochsause. Meine Schwester kommt hinter mir her und im Nullkommanichts stehe ich leicht transpirierend und nur noch mit einem weißen Tülldings auf dem Kopf im Schlafzimmer.

Einem Aberglaube nach soll die Braut ein Teil ihrer Unterwäsche falschherum anziehen, um die bösen Geister zu verwirren. Meine Schwester schaut mich schon ein bißchen schräg an, als ich ihr das sage und schlägt vor, den BH zu nehmen. Schließlich wäre das verwirrungsmäßig sehr sinnvoll... Ich lehne dankend ab und entscheide mich dafür, dass "falschherum" auch "auf links" bedeuten kann und so bleibt nur noch ein Kleidungsstück übrig. Schnell die Strumpfhose drüber und die Schuhe angezogen, dann kann das Theater beginnen: erst in den Unterrock, von dem meine Fastschwiegermutter noch schnell die Aufhänger abschneidet und dann in das Kleid. Wegen der fertigen Frisur kann ich das Kleid nicht wie gewohnt über den Kopf anziehen und da ich es noch nie von unten angezogen habe, muss ich meinen benebelten Kopf befragen, wie das jetzt mit dem sperrigen Unterrock wohl klappen könnte. Meine Schwester hilft mir und ich steige leicht verklemmt mit dem Unterrock zwischen den Beinen, damit er nicht so stört, in das Kleid. Der Reißverschluß klemmt nicht und die BH-Träger lassen sich mit ein wenig Gefriemel auch innen mit Druckknöpfen am Kleid befestigen, damit sie beim Tanzen nicht herausrutschen. Alles im grünen Bereich!

Laut eines weiteren Aberglaubens sollte der Mann seiner Frau am Hochzeitstag eine Halskette anlegen, ich mache es selbst, da mein Fastehemann unten vor der Einfahrt die Autos dirigiert und die frisch eingetroffenen Gäste begrüßt. Ich stehe am Fenster und beobachte ihn dabei, vergesse fast, meine Ohrringe, die ich in der Hand halte und säusel etwas von "Er sieht so klasse und umwerfend aus und ich werde ihn gleich heiraten!" Meine Schwester holt mich wieder zurück in das Hier und Jetzt "Apropos gleich..." Da ich ohne meinen Verlobungsring nicht heiraten will, stecke ich den geliehenen Ring meiner Schwiegermutter mit an den linken Ringfinger. Der Brilliant meines Rings strahlt ebenso wie der Aquamarin des geliehenen Schmuckstücks. Meine Handtasche habe ich schon am Vorabend mit allen für eine Braut wichtigen Dingen bestückt (Kopfschmerztablette, Puder, Ausweis, Taschentücher, Taschentüscher, Taschentüscher) und mit Hilfe meiner Schwester, die sich als Schleppenträgerin verdingen muss, geht es dann los zum Auto.

11:15 Uhr bis 12:00 Uhr

Holger hat am Morgen das Autogesteck, den Brautstrauß und seinen Reversanstecker vom Floristen abgeholt und ich bin, als ich zum Auto komme, hellauf begeistert. Die aprikotfarbenen Versiliarosen mit den weißen und hellvioletten Blumen zu einem wunderschönen Gesteck gebunden, machen sich unglaublich gut auf dem offenen BMW Cabrio mit den hellen Ledersitzen. Endlich ist Zeit, den Rest meiner Familie zu begrüßen und Holger in voller Montur aus der Nähe zu betrachten. Wie noch mehrmals an diesem Tag steigen mir kleine Freudentränchen in die Augen, die ich tapfer zu bekämpfen versuche, schließlich soll das Makeup mindestens bis zum Fototermin halten.

Mit vereinten Kräften komme ich ohne Schaden in das Hochzeitsauto. Wir hatten das schon vorher versucht und ich bin froh, dass wir offen fahren können, denn mit einem Brautkleid und einem Schleier in ein geschlossenes Cabrio zu steigen ist nicht so einfach. Bevor Holger sich zu mir auf die Rückbank setzen kann, frage ich nach dem Brautstrauss und fast wäre der Klassiker passiert - der Strauss steht noch im Wohnzimmer...

Mit 5 Minuten Verspätung in unserem Ablaufplan macht sich die Hochzeitskarawane mit uns an der Spitze auf den Weg zum Herrenhaus Cromford. Alle Autos sind mit weißen Bändchen geschmückt und laut hupend fahren wir durch die Stadt. Es ist schon witzig, wenn einem fremde Leute entgegenwinken und strahlend alles Gute wünschen, an den Ampeln alle Leute gucken und ist es wohl die Magie eines Brautpaares, dass selbst die grummeligsten Zeitgenossen ein Lächeln beim Anblick einer Hochzeitsgesellschaft auf das Gesicht bekommen.

Mein Schwiegervater hält direkt vor dem Herrenhaus und wir steigen unter den Blicken einer ganzen Horde Polizisten aus dem Wagen. Im Schatten eines Baumes warten wir auf das Eintreffen der anderen Gäste und des Fotografen und sehen zu, wie ein frischverheiratetes Paar unter den Schlagstöcken der Polizei durchgehen muss. Da alle Paare, die an diesem Tag heiraten am 20. Januar vor den Türen des Standesamtes campiert haben, kennen wir uns und so begrüßt uns das Polizistenpaar und wir wünschen alles Gute.

Eine Mitarbeiterin des Standesamtes nimmt unsere Pässe und das Stammbuch entgegen und teilt uns mit, dass sie uns abholen wird, sobald die Trauung beginnen kann. Ich habe noch eine letzte Chance zur Toilette zu gehen, denn vor lauter Aufregung habe ich das beim Anziehen vergessen. Wie sich herausstellt, ist das Kleid bestens geeignet, alleine diesen Weg anzutreten. Ich gehe noch einmal alle Sachen durch: ich habe etwas Altes an, meinen Schmuck, etwas Neues, das Kleid / die Schuhe, etwas Geliehenes, den Ring meiner Schwiegermutter, etwas Blaues...? Ups, das hab ich wohl vergessen, denn den Klassiker, ein blaues Strumpfband, kann ich nicht haben. Ich bekomme ja schon zuviel, wenn mir ein Kind um das Bein fasst und nicht mehr losläßt! Da kann ich mir doch nicht den schönsten Tag damit versauen, dass ich die ganze Zeit klaustrophobische Anfälle am Oberschenkel habe. Aber wie gerufen steht da meine kleine 10 Jahre alte Cousine mit einem wunderschönen blauen Webhut. Das sind diese Knautschhüte, die aus blauem Papier oder Baumwollstoff geflochten sind. So schnell wie ich ihr den Hut abgenommen, einen Faden rausgerupft und mir in den BH gesteckt habe, kann das kleine Ding gar nicht reagieren. Als sie gerade protestieren will, hat sie ihren Hut schon wieder auf dem Kopf und ich habe etwas Blaues an mir!

Um kurz vor 12 Uhr werden wir in den Gartensaal des Herrenhauses gebeten, wo die Videokamera aufgestellt wird und der Fotograf schon ein paar erste Fotos von uns macht. Um Punkt 12 Uhr betritt der Standesbeamte den Saal und die Trauungszeremonie kann beginnen.

12:00 Uhr bis 12:30 Uhr

Dieser Teil verschwimmt ein wenig, da wir beide wie hypnotisiert (ich wie ein Wackeldackel) im Gartensaal sitzen und den Worten des Standesbeamten lauschen. Er erzählt etwas darüber, dass wir wohl alle lieber am Pool lägen und eine Poolparty statt der üblichen Hochzeitsfeier bei diesen Temperaturen angebracht sei. Sacht wechselt er zum offiziellen Teil der Trauung über. Er liest die Aufgebotsbestellung vor und klärt uns über das Namensrecht auf. Wir müssen das Formular dazu unterschreiben, ich zum letzten Mal mit meinem Mädchennamen.

Die Hitze und die Idee mit dem Pool bezieht der Standesbeamte auch in seine kleine Traurede mit ein: "Rund um die Ehe gibt es eine Menge Symbolik. Sie fahren heute in den Hafen der Ehe ein. Aber stellen Sie sich vor, Sie fahren in den Hafen und können da nie wieder raus! Das wäre ja schrecklich!" Um in einen Hafen einzufahren benötigt man ein Schiff, mit man sich nicht nur im Hafen aufhalten möchte. Er spricht von Freiräumen und dass der Alltag und die Ehe vielmehr ein Fahrt über die Meere der Welt sind. Es gibt Zeiten, da durchquert man die stürmische Nordsee und es gibt Zeiten, in denen man in den ruhigen Gewässern der Karibik schippert. Gut zu wissen ist es jedoch, dass man einen Hafen hat, eine Wohnung, ein Zuhause, in dem man sich sicher und geborgen fühlen kann. Der Hafen bietet somit Sicherheit und Schutz. Eine weitere Symbolik haben die Ringe, zu denen der Standesbeamte einen schönen Text geschrieben hat, den er uns auch mitgibt.

Anschließend bittet uns der Standesbeamte aufzustehen. "Ich werde nun die Frage an Sie richten mit deren Beantwortung Sie selbst vor dem Gesetz den Bund der Ehe schließen. Sind Sie gewillt, Herr Holger Arendt, mit Ihrer Verlobten, Frau Tanja Stromberg die Ehe einzugehen und ist es Ihre freie Entscheidung, so antworten Sie mit Ja." Das klare und deutliche "Ja!" treibt mir fast die Tränen in die Augen. "Sind Sie gewillt, Frau Tanja Stromberg, mit Ihrem Verlobten, Herrn Holger Arendt, die Ehe einzugehen und ist es auch Ihre freie Entscheidung, so antworten Sie mit Ja." Ich hauche ein "Ja!" und bin froh, dass der Kloß in meinem Hals es nicht zu einem fiesen Krächzen hat werden lassen. "Da Sie beide diese Frage mit Ja beantwortet haben, sind Sie nun Kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute!" Unsere Gäste applaudieren, der Standesbeamte gratuliert, wir gucken uns an und atmen durch, küssen uns und dürfen anschließend unsere Ringe tauschen.

Laut eines Aberglaubens hat derjenige in der Ehe die Hosen an, an dessen Finger der Ring nicht in einem Rutsch anzustecken ist. Ich behaupte ja, dass mein Ring geklemmt hat, aber wir sind da noch unterschiedlicher Meinung...

Nachdem wir die Heiratsurkunde vorgelesen bekommen haben, unterschreiben wir dieses wichtige Dokument, wobei ich mit Tanja Arendt, geb. Stromberg unterschreiben muss. Holger bekommt seinen Ausweis wieder und der Standesbeamte erklärt uns die Einträge im Stammbuch. Ich bekomme meine neuen Ausweisdokumente ausgehändigt, auf deren Empfangsbeleg ich zum ersten Mal offiziell nur noch mit Tanja Arendt unterschreibe. Das Ausstellungsdatum der Pässe ist übrigens unser Hochzeitstag!

An dieser Stelle ist unsere Trauung beendet und der Standesbeamte empfiehlt uns, den Tag zu genießen und schwimmen zu gehen. Ich glaube, an diesem Tag ist es vor allem sein dringendster Wunsch, ins kühle Nass zu springen!

Wir werden von unseren Gästen umarmt und beglückwünscht und am Ausgang des Gartensaals überreicht mir die Mitarbeiterin des Standesamtes meine alten Ausweisdokumente ungültig gemacht als Andenken.

12:30 Uhr bis 16:00 Uhr

Nach der Trauung stellt uns der Fotograf auf der Treppe des Herrenhauses für ein Gruppenfoto auf. Dass er das nicht zum ersten Mal macht merkt man daran, dass er uns und unsere Gäste zielgerichtet auf die verschiedenen Seiten und Stufen der Treppe dirigiert.

Wir verabschieden uns fürs erste von unseren Gästen, die ins Talschlösschen zum Mittagessen geschickt werden und machen uns mit dem Fotografen und unseren Eltern auf in den Park des Herrenhauses. Die Temperaturen liegen mittlerweile gut in den Dreißigern, Anzug inkl. Weste und Jackett, bzw. Kleid mit Strumpfhose sind nicht gerade ideale Kleidungsstücke für dieses Wetter und das ewig freundliche Lächeln wird zur Qual. Nachdem das obligatorische Eltern-Brautpaar-Bild geschossen wurde, bleiben wir mit meinem Schwiegervater und dem Fotografen alleine im Park und machen uns auf die Suche nach möglichst schönen Motiven als stimmungsvoller Hintergrund. Hier eine Wiese, da ein Baum, eine Bank und eine Brücke. Für ein Bild müssen wir uns hinknien, was bei der Hitze nicht gerade eine angenehme Aufgabe ist, vor allem dann nicht, wenn man fertig positioniert darauf wartet, dass das Bild geschossen wird, der Fotograf aber leider in dem Moment den Film wechseln muss... Ich raune was von "beim Bund war's bestimmt auch nicht schlimmer" gebe dann aber auf und stelle mich hin, sodass mein Kleid anschließend mühsam neu drapiert werden muss. Angenehm ist für Holger der Moment, als er sein Jackett ausziehen und locker über die Schulter werfen darf und zu der Zeit ein leichter Windhauch aufkommt. Das Einzelbild vom an den Baum gelehnt stehenden Holger könnte wirklich aus einem Bräutigammagazin stammen!

Nach knapp zwei Stunden sind reichlich Filme verknippst worden, mein Schwiegervater ist von seiner Rolle als Taschenträger auch ziemlich geschafft und wir haben alle das Gefühl, als sei in unseren Mündern die Sahara ausgebrochen. Da ich aus Angst, dass ich während der Trauung zigmal für kleine Mädchen gehen muss, habe ich ausser einer Tasse Tee am Morgen nichts mehr getrunken und fühle mich ein wenig ausgedörrt. Daher bringt uns unser Chauffeur auch auf dem kürzesten Weg zum Talschlößchen, wo unsere Gäste noch beim Essen sind, worüber wir uns wundern. "Wir wollten auf Euch warten!" Nette Geste, aber wir haben ausdrücklich darum gebeten, direkt anzufangen, denn einige Gäste sind erst am Morgen angereist und hatten teilweise mehrere hundert Kilometer hinter sich.

Holger grinst selig, nachdem er sein Pils im Nullkommanichts leer hat und ich ziehe meine große Apfelschorle in ähnlich kurzer Zeit weg. Die Suppe, eine Kartoffel-Lauch-Komposition mit Lachsstreifen und dazu frischem Baguette kommt bei allen gut an und es tut richtig gut, endlich wieder im Schatten zu sitzen.

16:00 Uhr bis 3:30 Uhr

Gegen 14:45 Uhr löst sich unsere Gruppe auf, die Gäste gehen in ihr ein paar Schritte entferntes Hotel und wir machen uns mit unseren Eltern auf den Heimweg. Zuhause angekommen ziehen wir unsere Edelklamotten für ein Stündchen aus und setzen uns auf das Sofa zum Ausruhen (Eine Schüssel mit kaltem Wasser kann bei heißen Füßen wahre Wunder bewirken.) und erstem Revuepassierenlassen. Wir sind schon zu diesem Zeitpunkt rundum zufrieden mit dem Tag! Eine Freundin aus Münster und ein Paar aus meiner alten Heimat kommen vorbei, um die Schlüssel abzuholen, aber ansonsten haben wir eine Stunde Ruhe, die wir auf dem Sofa in leichtem Dämmerzustand genießen.

Um 16:15 Uhr haben wir die Abfahrt zum Restaurant eingeplant, sodass wir gegen 15:45 Uhr wieder in unsere Hochzeitssachen steigen. In Kolonne mit Familie und Freunden machen wir uns auf in Richtung Düsseldorf - natürlich wieder wild hupend und von winkenden Menschen am Strassenrand begleitet. Bei Meyer und Freemann angekommen begrüßt uns meine ehemalige Nachbarin aus Gelsenkirchen, die uns ab der Autobahnausfahrt gefolgt ist und sehr froh darüber, denn sie war noch nie alleine soweit mit dem Auto von zuhause weg und fühlte sich etwas unsicher.

Die Tür am Restaurant ist noch verschlossen, wir sind wohl etwas früh dran, was aber nichts macht, denn so können wir die Tischdekoration einmal ganz in Ruhe bewundern. Unsere Blumen, die Mandelsäckchen und die Menuekarten passen perfekt zu den weißen Stoffservierten, den elfenbeinfarbenen Stumpenkerzen, dem schweren polierten Besteck und den glänzenden Gläsern. Dass nun doch Tischdecken auf den Tischen liegen läßt den gesamten Raum in einem noch edleren und gleichzeitig urigschönen Licht erstrahlen. Alles wunderbar!

Die ersten eintrudelnden Gäste werden vom hochmotivierten Serviceteam mit Prosecco und Orangensaft und natürlich auch von uns begrüßt. Eddie und Steffi haben die Aufgabe übernommen, alle Gäste eine Memorykarte aus einem Säckchen ziehen zu lassen und ihnen zu erklären, dass sie nun im Laufe des Begrüßungsdrinks versuchen sollen, ihren Partner, sprich denjenigen zu finden, der die zweite Karte mit gleichem Motiv gezogen hat. Anschließend soll sich dieses Paar bei Eddie für ein Erinnerungsalbum fotografieren lassen.

Diese Idee haben wir von einem anderen Brautpaar geklaut, da es uns sehr gut gefallen hat und die Gäste ein bißchen mischt und sich nicht so schnell Gruppen bilden, die sich ohnehin schon kennen. Das Prinzip, möglichst viele verschiedene Leute zusammen zu bringen haben wir auch bei der Sitzordnung versucht zu realisieren: es gibt keinen "Familien-" oder "Arbeitskollegentisch", keinen "Seine-Freunde-" oder "Ihre-Freunde-Tisch", sondern wir haben versucht, unsere Gäste nach Interessen, möglichen Gesprächsthemen und Charakteren zusammen zu setzen, was uns scheinbar auch gelungen ist, denn während des gesamten Abends gibt es an keinem der sechs Tische ein peinliches Schweigen.

Gegen 18:30 Uhr ist unser DJ Michi, ein sehr verlässlicher Freund von mir, immer noch nicht da, obwohl er sich für 17:00 Uhr angemeldet hatte. Hektisches Rumtelefonieren führt nicht zum Erfolg, das Handy ist wohl abgeschaltet. Da auf dem Weg von Münster hierher etwas mit dem Mietwagen schiefgegangen sein könnte, werden wir schon ein bißchen kribbelig, aber letztlich kommt Michi doch pünktlich zum Essen und hat neben einer Freundin von mir noch ein weiteres Mädel im Schlepptau, für das ich im Eilverfahren noch ein Mandelsäckchen beschrifte, das ich sicherheitshalber für einen solchen Fall mitgenommen habe. Schnell ein Gedeck von einem anderen Tisch entfernt (nur ein Gast konnte wegen seiner Arbeit dann leider doch nicht kommen) und schon saß die mir bis dahin unbekannte Dame mit bei unserem DJ am Tisch. Michi hat in der Zeit schon seine CDs rausgeholt und eine extra für das Essen zusammengestellte CD im Player liegen.

Um 19:30 Uhr wird die Vorspeise serviert: Sommersalate mit Gartenkräutern und marinierter Hähnchenbrust, dazu gibt es einen Brotkorb mit Butter und Linsenpüree. Bevor unsere Gäste anfangen dürfen, bedanken wir uns recht herzlich dafür, dass alle gekommen sind und freuen uns auf einen schönen Abend. Angestoßen wird mit

Cantina di Casteggio
Oltrese Pavese - Pinot Grigio
Italien, 2001

und

Schweigener Sonnenberg
Weingut Bernd Grimm, Schweigen
Dornfelder
Pfalz, 2001

Nachdem alle Teller abgeräumt sind, hält mein Vater eine kleine Rede auf das Brautpaar, der sich mein Schwiegervater in seinen Worten an uns anschließt. Anschließend eröffnen wir das Büffet.

Rosa gebratenes Roastbeef mit Pfeffersauce und Sc. Bearnaise
Zuckerschoten, Bundmöhrchen und Blattspinat
Kartoffelgratin

&

Zanderfilet mit Lachsfarce und Safransauce
Basmatireis
Sommersalatbüffet mit zwei Dressings

Wunderbar ist, dass es sich bei diesem Büffet nicht um eines dieser "Wer stochert am besten im Essen rum"-Buffets handelt, die nach 5 Minuten aussehen, als sei eine Wildschweinrotte am Werk gewesen, sondern das Serviceteam bedient und legt auf. Hier wird jeder nach seinen Wünschen bedient und kann sagen, was und wie viel er davon haben möchte. Wer hier "aber nur ein wenig Gemüse" haben möchte, muss sich unter Umständen schon mit einer Möhre zufrieden geben und dem verschmitz lächelnden Kellner erklären, dass es auch etwas mehr sein darf. Insgesamt herrscht also keine heiße Schlacht am heißen Buffet, sondern entspannte Stimmung, denn niemand muss leer ausgehen. Die sich leerenden Schalen werden vom flinken Personal sofort durch volle ersetzt und auch sonst geht alles recht flott.

Nachdem die Hauptspeisen verputzt ist, hält eine gute Bekannte aus der Pfalz eine kleine Rede und ein ehemaliger Arbeitskollege plaudert aus dem therapeutischen Nähkästchen - zur allgemeinen Belustigung.

Anschließend machen sich Holger und ich auf den Weg zur ersten großen Tat des Tages: dem gemeinsamen Anschneiden der Hochzeitstorte.


Die Gäste gruppieren sich neugierig um uns und unter Blitzlichtgewitter schneiden wir die unterste Etage des Kuchens an und sollen uns, so fordern es lautstarke Stimmen, gegenseitig mit der Torte füttern, was wir natürlich auch gerne tun. Neben der Hochzeitstorte stehen noch Mousse au Chocolat und Salat von frischen Früchten mit Vanilleeis für den süßen Zahn bereit.

Nach einem Digestif oder Kaffee und einer angemessenen Verdauungszeit tanzen wir zu Blackmore's Night "Be mine tonight" den klassischen Eröffnungswalzer.


Holger tritt mir nichts auf das Kleid, das mache ich schon selbst und strahlend nuscheln wir uns zu, wann wir vorhaben zu "wiegen". Das Lied geht schneller rum, als ich gedacht hatte und nachdem der Applaus ein wenig abgeebt ist, greifen wir uns jeweils andere Tanzpartner und nach ein paar Minuten ist die Tanzfläche gefüllt. Da die Temperaturen noch immer sommerlich hoch sind, bewundere ich einige Gäste, die kaum transpirierend gekonnte Pirouetten drehen.

Natürlich dürfen an so einem Abend die typischen Hochzeitsspielchen nicht fehlen. Unsere Väter versuchen, in einem Spiel herauszubekommen, wie einig wir uns sind. Rücken an Rücken und mit jeweils einem Namensschild in rosa und einem in blau müssen wir Fragen wie "Wer hat den größeren Dickschädel?" beantworten und bekommen für jede Übereinstimmung einen Punkt.

Am Ende steht fest, dass wir uns doch recht gut kennen und von 20 Fragen immerhin 16 Übereinstimmungen haben.

Die Gäste tanzen, unterhalten sich, erkunden den Biergarten und wir versuchen, allen gerecht zu werden und uns bei jedem Tisch und jedem Grüppchen einmal sehen zu lassen. Das ist jedoch gar nicht so einfach, da sich der nächste Höhepunkt des Abends ankündigt: zwei Freundinnen aus Münster schenken uns eine Bauchtanzshow und ernten mir ihren Shimmies, Drops und Kicks nicht nur von den anwesenden Männern anerkennende Blicke.



Gegen 22:30 Uhr werden alle Leute unerwartet ein wenig unruhig und man bittet uns hinaus auf die Wiese. Der Restaurantchef weist uns an, nicht weiter als bis zu den Bäumen auf der Mitte der Wiese zu gehen und so strömen wir in gespannter Erwartung hinaus in die Dunkelheit, nichts ahnend. Auf der Wiese angekommen sehen wir am anderen Ende ca. 150m entfernt ein paar Lichtpunkte tanzen, die sich als Fackeln herausstellen. Da wir Gäste mit eigenen Pferden haben, kommt mir als erstes etwas wie ein Fackelritt in der Nacht in den Sinn oder aber auch ein Feuerspucker. Da die Gestalten aber nicht näher kommen, warten wir gespannt, was nun passieren mag.


Die Fackelträger entfernen sich von einander und ein paar Sekunden später geht ein Bodenfeuerwerk los. Erst Feuervulkane am Boden, dann sich drehende Räder und als Höhepunkt ein H - ein Herz - ein T, eine Kombination, die unter "Ahs" und "Ohs" abgebrannt wird. Das anschließende Raketenspektakel und laute Geknalle überdeckt allerdings die Begeisterungsrufe der Gäste und des Brautpaares. Soetwas hatte noch keiner der Anwesenden gesehen, außer vielleicht bei Feuerwerken, die z.B. für eine 1000-Jahrsfeier abgefeuert werden. Und in der Nähe des Flughafens hat auch niemand wirklich mit einem solchen Spektakel gerechnet.


Nachdem sich die Rauchwolken ein wenig verzogen haben, sehen wir zwei dunkel gekleidete Männer auf uns zukommen, die uns gratulieren und sich als Mitarbeiter einer Feuerwerksfirma vorstellen. Auf dem Rückweg zum Restaurant sehen wir, dass nicht nur diese beiden so spät für uns arbeiten, sondern dass sowohl ein Krankenwagen als auch ein Feuerwehreinsatzwagen in der Nähe des Feuerwerkes bereit gestanden haben.

Wir bleiben draußen vor dem Restaurant noch ein wenig stehen und bekommen direkt amtlichen Besuch. Die örtliche Polizei erkundigt sich, ob wir das Feuerwerk abgefeuert haben, es hätten Leute angerufen, die ein Feuerwerk melden wollten. Da jedoch alles genehmigt und abgesichert ist, verabschieden sich die beiden Herren in grün nach einer kurzen Gratulation schnell wieder und lassen sich anschließend von den Männern der Feuerwerksfirma die Papiere zeigen.

Drinnen geht derweil das Partytreiben weiter und meine Schwester ist fleißig dabei, Zettelchen an die Gäste zu verteilen. Frauen ziehen aus der einen, Männer aus der anderen Schale und eine Viertelstunde später wird die Bedeutung der Zettel klar: mein Vater bittet "Christel von der Post" und "Pumuckel" nach vorne, die sich unter allgemeinem Gelächter ihren Weg durch die Reihen bahnen. Vorne angekommen müssen sie vor den kritischen Augen der anderen Gäste tanzen. Als die Musik verstummt dürfen sie aber nicht gehen, sondern bekommen Gesellschaft von "Schneewittchen" und "Dieter Bohlen" und dürfen dann gemeinsam tanzen. Mein Vater ruft immer mehr kuriose Paare auf die Tanzfläche und nach 10/12 Paaren fragt er nach, ob er die Liste (eine komplette DIN A 4 Seite) weiter vorlesen soll, oder ob sich jetzt alle freiwillig auf die Tanzfläche begeben. Zu den doch recht bunt gemischten Paaren kommen ein paar Profizusammentänzer und insgesamt füllt sich die Tanzfläche schnell. Die Hitze macht aber auch einigen Leuten ganz schön zu schaffen, diese versuchen sich an der Theke in Form von frischem Alt Abkühlung zu verschaffen.

Die Vorteile des Restaurants liegen bei einer solchen Feier klar auf der Hand: die Gäste müssen sich nicht in einen engen Raum quetschen, sondern haben die Möglichkeit sich zu verteilen. Manche zieht es in den Biergarten, andere an die Theke, einige bleiben an ihren Tischen und wieder andere tummeln sich auf der Tanzfläche, wo vorher das Büffet aufgebaut war. Um Mitternacht gibt es eine kleine Stärkung, die wegen des Rauches und der in Benutzung befindlichen Tanzfläche in Nähe der geöffneten Tür im Thekenbereich aufgebaut wird: Quiche Lorraine und ein Brotkorb mit Linsenpüree und Kräuterquark. Hier hatten Eddie und Steffi auch das Erinnerungsalbum den Abend über ausliegen, in dem sich auch wirklich alle Gäste eingetragen haben. Auch die Bilder der jeweils zwei gleichen Memorypartner konnte Eddie im Laufe der Zeit machen. Zu jedem Eintrag wird anschließend das passende Bild eingeklebt. An einem weiteren Tisch in Nähe der Theke haben unsere Gäste phantasievoll eingepackte Geschenke für uns abgelegt, die wir an dem Abend gar nicht alle wahrgenommen haben.

Gegen 1:00 Uhr verabschieden sich die ersten Gäste, aber der harte Kern hält noch bis um halb drei aus. Ich tanze barfuss und mittlerweile ohne Schleier, aber leider konnte der obligatorische Schleiertanz um Mitternacht nicht stattfinden, da Melanie und Stefan, die diese Tradition mit uns auch in Rheinnähe aufleben lassen wollten, mit dem kleinsten Gast Johanna doch eher fahren mussten, als sie gedacht hatten. Das drei Monate alte Mädchen hat man den ganzen Abend nicht bemerkt, geschweige denn gehört, denn unter dem Efeudach im Biergarten war sie so damit beschäftigt, die Blätter zu beobachten, dass sie das Weinen ganz vergessen hat.

Nachdem ich meine Füße auf den Holzbohlen wundgetanzt habe, geselle ich mich zu der kleinen Runde, die draußen vor der Tür auf Barhockern an einem Tisch sitzt und den leckeren Rotwein schnabbuliert. Ich stelle mich in den für Hunde aufgestellten Wassereimer und kühle meine geschundenen Füße. Wie ich für den Rückweg wieder in die Schuhe komme ist mir egal, Hauptsache das Tanzen macht Spaß!

Beim Aufbruch gegen 2:30 Uhr verteilen wir die restlichen Gäste auf die vorhandenen Autos und stellen fest, dass man mit einem Kombi und einem Fiesta alle Geschenke und Familienmitglieder der Hochzeitsgesellschaft nach Hause transportieren kann.

Auf der heimischen Terrasse gibt es einen Absacker und da man auf einem Bein nicht stehen kann auch noch einen zweiten. Eddie möchte bei dem leckeren Birnenschnaps allerdings zum Insekt werden und wir unterstützen ihn dabei gerne! Nachdem sich unsere nicht familiären Gäste verabschiedet haben, machen sich Holger und ich auf in unsere Wohnung.

Holger steht mit leichter Schieflage vor unserer Haustür und ruft mir entgegen, dass die ganze Tür versaut sei und er jetzt sofort in die Wohnung will. Da er jedoch keinen Schlüssel dabei hat, muss er warten, bis ihm die Tür geöffnet wird. Als ich die Treppe hochkomme rechne ich nach Holgers Rufen mit dem Schlimmsten: Lippenstift an der Tür, Schloss ausgewechselt oder ähnliche Sachen gehen mir durch den Kopf, doch alles, was ich sehe ist eine einzelne Luftschlange!

Drinnen erwartet uns neben einem plärrenden Radio auf höchster Lautstärke noch die eine oder andere Überraschung. Das ganze Wohnzimmer ist mit Luftschlangen geschmückt, aber ansonsten fällt uns nichts weiter auf. Allerdings fällt um 3:30 Uhr jeder auf den Klassiker "Zahnpasta unter der Türklinke" herein und als ich mir im Bad die Hände waschen will, kommen mir zum Teil wassergefüllte Luftballons entgegen, die wir erst Tage später, nachdem die Kopfschmerzen nachgelassen haben, alle platzen lassen. Allerdings konnte ich es mir nicht verkneifen, drei dieser Wasserbomben auf die Terrasse hinunter zu werfen, wo unsere Eltern noch zusammen sitzen. Leider platzt keine! Wie ärgerlich, hätte ich doch gerne gesehen, wie die Mittäter nass werden, schließlich haben sie unseren Schlüssel an meine Schwester, ihren Freund und Eddie und Steffi abgegeben!

Im Schlafzimmer haben wir Haarbürsten in den Kopfkissen und Kleiderbügel unter dem Spannbettbezug, die ich noch kurz vor Holgers Aufschlag auf die Matratze entfernen kann. Die drei versteckten Wecker, die uns ab 6:00 Uhr im Halbstundentakt wecken sollten, haben wir im komatösen Tiefschlaf einfach ignoriert. Ebenso wie die auf Weckmodus programmierten Handys. Am nächsten Morgen kommen weitere Gemeinheiten zu Tage wie das Spüli im Zahnputzbecher und Zucker im Salzstreuer. Dass meine Mineralwasserflasche am Bett versalzen war, habe ich nicht gemerkt, da ich sie im Glauben sie sei schon schal geworden direkt in die Blumen gegossen habe.

Am nächsten Morgen habe ich das Gefühl, nie wieder laufen zu können, so wundgetanzt sind meine Füße, aber mit weichen Socken läßt sich das Problem recht schnell beheben.

20.07.2003

Nachdem wir ordentlich ausgeschlafen haben, verabschieden wir die letzten Gäste, die noch zum Mittagessen zu uns gekommen sind, und machen uns dann daran, die Geschenke auszupacken.

Besonders viel Zeit brauchen wir, um das Geschenk von Holgers Arbeitskollegen auszupacken, da es sich neben einer Kiste voller Wein um eine Flasche mit ganz besonderem Inhalt handelt. Mit verschiedenen Gegenständen (Schere, Schraubenzieher, Pinzette) und schließlich einem gebogenen Draht können wir die Geldscheine mehr oder weniger heil aus der Flasche ziehen.

Doch wie sagte unsere Bekannte aus der Pfalz in ihrem Gedicht an uns:

"Wenn andere mit erlesenen Geschenken
an Eure Hochzeit heute denken,
dann fühlt Euch geschmeichelt und geehrt
das liegt zum Teil am Preis, zum Teil am Wert
der freundlichen Gesinnung die Euch gilt.
So seid Ihr über beides gleich im Bild."

Während wir die Geschenke auspacken, gehen wir den schönsten aller Tage noch einmal in Gedanken durch und sind uns einig, dass sich der Aufwand und der Streß der letzten Monate gelohnt hat.


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